Kreativität
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Pinterest macht unkreativ

Der Titel ist etwas reisserisch. Man merkt: langsam aber sicher reisst mein Geduldsfaden mit Zeitfresseralgorhythmusmaschinen. Lass mich das Thema etwas ausführlicher betrachten.

Pinterest ist eine populäre App die sich kreativ nennt, die aber in meiner Erfahrung reiner Zeitvertrieb ist. Die Idee hinter Pinterest ist folgende: man sammelt an einer virtuellen Pinwand Ideen, die wie Polaroids aufgehängt werden. Viel Bild und wenig Text. Von jedem Pin kann man runterscrollen und bekommt ähnliche Inhalte vorgeschlagen.

Man kann auch Links aus dem Internet pinnen, also mit einem von der Webseite genommenen Bild auf der eigenen Pinwand anpinnen. Jeder dieser Pins enthält einen Link. So kann man zu unbeschränkt vielen Themen Pinwände erstellen und verwalten, oder von anderen Nutzern betrachten.

Verflossene Liebe…

Ich habe Pinterest geliebt und die App hatte wahrscheinlich auf meinem damaligen Smartphone mehr Bildschirmzeit als Facebook. Mein Pinterest Stream war bunt, voller toller Fiberart sachen. Filzen, stricken, fair-isle, aran, handspinnen, Hausdeko, nähen, Tortendekoration, memes… Malen, Gestalten, Hausdeko… Doomscrollen zu jedem erdenklichen Thema und für Stunden. Am Ende des Tages noch „funny animals“ eingeben und nichts mehr denken müssen.

Doomscrollen?

Doomscrollen nennt man, wenn man in einem Feed scrollt und scrollt und scrollt und scrollt. Dabei ist nicht mehr der einzelne Inhalt wichtig, sondern, dass man einfach weiterscrollt. In sozialen Medien wird dieses Verhalten gerne gefördert, um die Nutzer länger auf der Plattform zu halten und ihnen mehr Werbung anzuzeigen.

Ich habe damit Pins gesammelt zu meinen Themen. Und davon viele. Und noch mehr. Manche doppelt und dreifach. Rückblickend weiss ich kaum ein Projekt, das ich tatsächlich wegen Pinterest gemacht habe. Links die nicht funkitionieren oder einfach auf eine „die 83 besten Strickprojekte für Anfänger“-Seite, auf der dann ein Link auf eine Paywall Anleitung zu finden war. Frust.

Solange alles in und bei Pinterest bleibt ist es schön und bunt, aus Pinterest raus, wird es schwieriger. Communityfunktionen habe ich nie genutzt.

Warum visuelles Bookmarking die Kreativität hemmt

Die meisten Menschen sind sehr visuell. Deshalb ist das Konzept des visuellen Bookmarkings sehr beliebt. Doomscrolling nach Interesse sortiert. Allerdings ist man in der Zeit in der man auf Pinterest Ideen sammelt nicht kreativ. Man konsumiert Ideen.

Eine Idee, die uns im Alltag kommt, ist meistens nicht rein visuell. Sie kann eine visuelle Komponente haben, je nachdem wie ausgeprägt unsere Imagination ist, aber es ist meist eher ein Konzept. Ideen, die wir als Bild speichern sind ein Bild. Ein Endprodukt. Wir sehen das Fertige und nicht das Projekt.

Dieser Fokus auf das Fertige und nicht das Anfertigen lässt uns oft gar nicht erst beginnen. Das Internet ist wunderbar – hoffentlich können wir uns das auch in Zeiten AI generierter Inhalte und SEO zerstümmelter Webseiten ein Stück weit bewahren- aber es ist eine Zerstreuungsmaschine. Je mehr wir sehen, desto mehr vergleichen wir auch. Wir und die Profis. Wir und die, die seit 30 Jahren nichts anderes machen als „das“. Wir und AI. Viele bleiben da beim Scrollen und fangen gar nicht erst an. Oder machen viel weniger als sie eigentlich wollen. Damit meine ich nicht, dass wir immer produktiv sein müssen. Eher, dass wir produktiv sein können, wenn wir es wollen. Dass wir diese Entscheidung wie wir unsere Zeit verbringen möchten, bewusst fällen und nicht einem Algorhythmus überlassen.

Welche Alternative gibt es?

Im Kopf behalten kann man all die tollen oder weniger tollen Ideen nicht, soviel ist klar. Ideen haben die Eigenschaft zu kommen und zu gehen wie Schmetterlinge. Lautlos und Spurlos. Unser Hirn ist auch nicht gemacht um Ideen für später zu speichern. Es produziert und generiert und was jetzt nicht umgesetzt wird, ist wieder weg. Und das ist ja auch völlig ok. Mancher Geistesblitz entpuppt sich später als Kurzschluss…

Einfach aufschreiben?!

Ein System von Notizen schafft Abhilfe und kurbelt gleichzeitig die Kreativität an. Wenn wir die Idee in Worte fassen, selber formulieren, machen wir daraus etwas eigenes. Wir wenden unseren eigenen Filter darauf an. Wenn wir später zurück zu unserer Notiz kommen, haben wir nicht mehr das Original, sondern das was unser Hirn aus unseren eigenen Anmerkungen zaubert.

Wie und wo?

Welche Art von Organisation es bei dieser Notizenhaltung gibt, ist zweitrangig. Wohl inspiriert durch Pinterest habe ich es mit Bullet journaling versucht. Dabei habe ich mehr oder weniger alles weggelassen was es zu einem hübschen Bullet Journal macht. Vorteil dieser Methode im Vergleich zur Zettelwirtschaft: Alles ist in einem Buch. Irgendwo. Ist das Buch nicht dabei – Tschüss schöne Idee.

Darauf kamen Phasen der Zettelwirtschaft. Und das ist bei mir sehr sehr unproduktiv.

Im Moment Versuche ich mich an der Methode „Getting things done“ von David Allen. Ich kann meine Blitzmomente auf irgendeinen Zettel schreiben, die ich dann in regelmässigen Abständen mit der Software Obsidian digital erfasse, strukturiere, einordne und auch regelmässig pflege. Allen gibt keinerlei Anweisung womit die Notizen verwaltet werden, sondern überlässt das den Anwendern.

Welchen Weg ich in zwei Jahren gehe, wird sich zeigen. Sicher ist aber, dass ich für das Sammeln von Ideen jederzeit mein eigenes unaufgeregtes und unaufdringliches System von Notizen einem werbeverseuchten Algorhythmus vorziehe.

Was sind deine Erfahrungen zu visuellen Lesezeichen? Ich freue mich auf Kommentare und Austausch!

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