Kreativität
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fix und fertig – oder die Angst vor dem Vollendeten

Die letzte Naht ist fertig, alles was verklebt werden muss, ist verklebt… Ein tolles Gefühl! Wenn nur nicht diese lästige Angst vor dem nicht genügen, dem nicht gut genug sein wäre…

Rien ne va plus

Wenn es eine Auftragsarbeit war, kommt noch ein Schritt. Das Produkt wird sorgfältig verpackt, das Paket geht auf die Reise. Es fällt mir selten schwer, mich von einem abgeschlossenen Projekt zu verabschieden. Ich verliere schnell das Interesse an einem fertigen Projekt. Ausnahmen sind Dinge, die ich speziell für mich anfertige, für meinen persönlichen Bedarf.

Es ist ein tolles Gefühl, mit dem was ich erarbeitet habe, ein Lächeln in ein Gesicht zu zaubern und zu spüren, wie meine Arbeit und mein Engagement geschätzt werden.

Wenn nur nicht diese fiese Angst zu versagen wäre

DIESER Moment… Ich WEISS, ich habe mein bestes gegeben. Ich WEISS, ich kann die kleinen Schwächen, die eine Arbeit immer hat nicht mehr verbessern. Nicht mehr in diesem Projekt. Ein nagendes Gefühl, dem eigenen Anspruch nach Perfektion nicht gerecht zu werden.

Dann geht es los. Kopfkino. Ich sehe all die Kleinigkeiten, die nicht ganz perfekt wurden. FEHLER! Ich kann doch nicht eine Arbeit mit FEHLERN abliefern!

Was wird meine Kundin von mir denken. Sie wird ihren Freundinnen erzählen, wie unzufrieden sie mit mir ist. Oh weh – was fällt mir ein, so eine schlechte, dilettantische Arbeit abzuliefern.

Je grösser der Auftrag, desto mehr Kleinigkeiten, die mir nicht gefallen. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Das Gefühl, die grösste Verliererin der ganzen Welt zu sein wächst. Manchmal wird mir sogar ganz flau. Panik droht hochzukommen.

Kopf hoch! Heiter weiter…

Etwas besser wird es, wenn ich die fertigen Gegenstände mit der Kamera dokumentiere. Ich bin abgelenkt und habe eine Beschäftigung, die keinen Platz für finstere Gedanken lässt.

Ich wiederhole immer wieder, wie ein Mantra:“ bis jetzt waren alle zufrieden, oder trauten sich nichts anderes zu sagen. Die Arbeit ist gut. Das Resultat ist gut.“ Ich versuche die „innere Fehlerlupe“, den inneren Kritiker auszuschalten und mich auf die gelungenen Details zu konzentrieren.

Nach einer Weile klingt das Gefühl wieder etwas ab. Die Nervosität jedoch bleibt, bis ich weiss, dass mein Produkt glücklich bei seinem neuen Besitzer angekommen und „abgesegnet“ ist.

Warum so ängstlich?

Tatsächlich ist diese Angst, sich der eigenen Unvollkommenheit zu stellen einer der Hauptgründe, wieso oft Projekte auf halber Strecke liegen bleiben und unter UFO – UnFertigesObjekt – abgehakt werden müssen.
Ein unvollendetes Werk hat immer noch die Chance, DAS Meisterstück zu werden, für das wir bewundert und geliebt würden. In der Phantasie jedenfalls, wenn wir es in einem Anfall von Genialität fertig stellen würden.

Fertige Dinge sind objektiv vergleichbar und es fehlt die Möglichkeit, Schwächen einfach wegzudenken. Dabei ignorieren wir, dass zu Beginn unsere Absicht war, die Inspiration, die Idee in die materielle Realität umzusetzen.

Dieses Verfehlen des Ziels nagt immer irgendwo im Unterbewusstsein. ( Auch wenn die innere Kritikerin kurze Momente der Bestätigung empfindet, weil sie ja schon immer wusste, dass wir zwar schon ein bisschen kreativ sind, es dann aber doch nicht zu Stande bringen…)

Persönlich hindern mich diese UFOs davor, neue Projekte anzufangen. Das Abschliessen ist für mich enorm wichtig, um Neues zu beginnen.

Durchhalten ist Trumpf

Natürlich ist es oft so, dass ich „unterwegs“ das Interesse an einem Werkstück verliere. Probleme müssen gelöst werden, meine Ideen funktionieren in der harten Realität nicht so gut, wie in der grosszügigen Phantasie.

Der Traum von der Perfektion - Photomanipulation

Wie leicht wäre es jetzt, einfach der neuen Idee, die so schillernd und verführerisch wie ein Märchenprinz lockt, zu erliegen. Genau in diesem Moment lohnt es sich, hart mit sich selber zu bleiben. Es gibt einen Weg, das Vorgenommene zu vollenden.

Vielleicht wird es entgegen der ersten Hoffnungen und Wünsche nicht DER Welterfolg. Aber es ist fertig. Vollbracht. Allein das ist doch schon Befriedigung. Und wenn es nur für die Mappe „ Ich werde es niemandem je zeigen Naja Abgeschlossen “ ist. Es ist abgeschlossen und macht neue Energien frei.

Nach einiger Zeit finde ich übrigens auch unter den Arbeiten, die mir nicht sonderlich gefielen, immer wieder etwas, das gar nicht so übel ist. Und was dazukommt ist, dass oft nicht die eigenen Favoriten beim Publikum ankommen…

Neuland betreten

Es lohnt sich, Dinge zu vollenden, aus der Komfortzone rauszugehen, an den Schwierigkeiten zu wachsen, und sowohl zu den eigenen Stärken, als auch zu den Schwächen zu stehen und sich dabei zu akzeptieren. So bildet sich mit der Zeit ein Selbstbewusstsein, das auf dem Erfahren von Erfolg und Misserfolg basiert. Durch dieses sich selber kennen lernen, bilden sich neue Fähigkeiten. Das frühzeitige wahrnehmen von Problemen und die Kreativität beim Finden von Lösungen.

Kleine Schritte führen zum Ziel

kleine Schritte

Wenn mir ein Projekt über den Kopf zu wachsen droht, und ich spüre, dass ich nicht weiterkomme, wenn ich einfach weiter draufloswerkle, versuche ich das „grosse Ganze“ auf kleine Zwischenschritte herunterzubrechen. So bilde ich mir kleine, erreichbare Etappenziele, die abgehakt werden können. Das Vorwärtskommen bleibt messbar und das Gefühl, auf der Stelle zu treten, verschwindet.

Auch Pausen sind wichtig, oft ist es leichter, die nächsten Schritte mit einem durchgelüfteten Kopf zu gehen.

Der letzte Abschnitt bezieht sich nicht ausschliesslich auf gestalterische Prozesse. Ich bin überzeugt, dass sich das Erreichen von kleinen Zielen und das damit gewonnene Vertrauen in die eigene Intuition und die Fähigkeit Lösungen zu finden, auch positiv auf das „richtige Leben“ auswirkt.

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